Corona hält die Welt derzeit in Atem, die Börsen sind im Krisenmodus. Wie soll man sich jetzt als Anleger verhalten? Entweder als bereits investierter, oder als noch nicht investierter, der jetzt überlegt und den richtigen Einstiegszeitpunkt sucht.
Bevor wir richtig einsteigen ein kleiner Disclaimer meinerseits: alles was ich hier sage ist kein Aufruf zum Kauf oder Verkauf bestimmter Wertpapiere und erstsetzt auch keine individuelle Beratung. Es stellt lediglich meine Meinung als Autor dar. Meine Aussagen beziehen sich nur auf marktbreite Indices und nicht auf einzelne Wertpapiere, wo die Lage im Einzelfall natürlich auch ganz anders ausschauen kann.
Rekapitulieren wir die Lage und schauen wo wir stehen heute, am Samstag den 14.03.2020. Es grassiert das Corona Virus, die Lieferketten sind teilweise schon unterbrochen, die USA haben für vier Wochen die Einreise von Europäern untersagt. Italien, Spanien und Österreich schließen ALLE Geschäfte außer lebensnotwendiges und setzen die Bevölkerung teilweise unter Quarantäne und schließen die Landesgrenzen. Weltweit bereitet man sich gerade auf die unvermeidliche Pandemie vor. Entsprechend nervös sind die Börsen. Am Montag war der erste große Ausverkauf, nach einem ziemlich überflüssigen Streit zwischen Saudi Arabien und Russland, um die Ölfördermenge. Über das Wochenende zeichnete sich ein historischer Verfall des Öl-Preis um -30% ab. Das hat auch einen enormen Rückgang bei Aktien ausgelöst. Der Dax lag mit 8,4% im Minus zum Schlusskurs. In den USA ging man mit -7,6% aus dem Handel, der zeitweise sogar ausgesetzt werden musste, erstmals seit der Finanzkrise 2008. Der nächste Ausverkauf fand am folgenden Donnerstag, also vorgestern, statt. Vermutlich wurde man sich dem Ernst der Lage erst richtig bewusst. Italien hat etwa massive Maßnahmen zur Eindämmung eingeleitet. Die USA haben einen Einreisestopp für Europäer verhängt. Die Börse preist einen wirtschaftlichen Stillstand ein und der Dow Jones erlebte mit einem Schlusskurs von -9,99% den 4. schwersten Tagesrückgang seit 1885. Damit liegen wir aktuell bei etwa -30% vom alten Höchststand (aktuell etwas weniger).
Jetzt gilt es das ganze einordnen. Vergleichen wir dazu diese mit anderen historischen Krisen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, von was wir sprechen.
Abb1: Top 10 Krisen seit 1970, letzten 50 Jahre in Höhe und Dauer.
Daraus entstehen zwei wesentliche Erkenntnisse:
- jede Krise ist irgendwann wieder überstanden
- In der Vergangenheit war bei -50% Schluss
Zumindest gilt das über die letzten 80 Jahre. Die große Depression der 1930er war noch etwas anders, je nachdem, ob man sie nominal oder real berechnet. Es gibt natürlich keine Garantie für die Zukunft, auch eine historische Schwelle kann einmal reißen, aber für mich persönlich bleibt es das Worst-Case Szenario, für meine Strategieplanungen. Wir haben jetzt schon – 30% im Tiefpunkt gesehen aber, wir haben alle keine Ahnung wie es sich entwickeln wird. Die Nachrichten überschlagen sich gerade. Hinzu kommen massive Interventionen der Notenbanken und Regierungen. Die Unsicherheit ist einfach wahnsinnig groß und sinnvollen Prognose sind nicht möglich. Auch persönliche Meinungen sind immer subjektiv, emotional gefärbt und nicht rational und daher nicht zielführend. Es ist eher gefährlich auf so einer Basis Entscheidungen zu treffen.
Man muss sich mit den Verläufen früherer Krisen beschäftigen und die zeigen uns, dass es durchaus noch tiefere Kurse geben kann und, dass eine Erholung auch nicht über Nacht gehen wird. Aber Fakt ist, dass jeder Crash wieder aufgeholt wurde und, dass die langfristige Rendite trotz aller zwischenzeitlichen Crashs eine sehr gut war. Daher gilt es jetzt einen pragmatischen Lösungsansatz finden.
Wie sollte man sich als langfristiger Anleger jetzt verhalten?
Grundsätzlich sollte man ruhig bleiben und keine unüberlegten, vorschnellen Entscheidungen treffen. Zum anderen denke ich, sollte man die Kursverluste als Chance betrachten, so schwer es aus humanitärer Sicht auch fallen wird. D. h. wenn man bereits investiert ist und zwar marktbreit mit ausreichender Streuung, sollte man jetzt nicht verkaufen, sondern eher an systematische Zukäufe denken und die, die noch nicht investiert sind, können über systematische Einstiege nachdenken. Systematisch heißt,
dass wir nicht wissen wo genau ein Boden gefunden sein wird. Wir wollen nicht zu früh investieren, wir wollen aber auch nicht zu spät investieren. Man steigt stufenweise, nach klar definierten Regel, immer stärker in den Aktienmarkt ein, je weiter er fällt. Bis zu einem persönlich definierten Worst-Case-Fall, wo man das Budget voll investiert. So glätten wir unseren Einstiegskurs und vermindern das Risiko, eines falschen Zeitpunktes für den Einstieg und das wichtigste ist, wir sind raus aus der emotionalen Entscheidungsfindung.
Auf Basis von täglichen Nachrichten, die wir nicht einordnen können, sondern wir haben einen festen Fahrplan an das wir uns halten können und wo dir darauf vertrauen können, dass er früher oder später aufgehen wird. Auch wenn wir sicher nie den perfekten Einstiegszeitpunkt erreichen, so werden wir auch nicht komplett falsch liegen.
Verkaufen und billiger einsteigen?
Ich wurde gefragt, ob es eine gute Idee ist, jetzt alles zu verkaufen und zu versuchen zu einem niedrigeren Kurs wieder einzusteigen? Aus wissenschaftlicher Sicht sollte man das nicht machen und es ist das eher gefährlich als sicher. Klar ist, es kann durchaus noch weiter nach unten gehen, und vermutlich tut es das auch noch. Aber wir wissen, dass die langfristigen Renditen am Aktienmarkt –trotz aller Krisen– sehr positiv sind. Und wir wissen auch, dass das manuelle Eingreifen der Anleger in den meisten Fällen eine sehr negative Auswirkung auf die Rendite hat und zu Verlusten führt. Gerne verweise ich an der Stelle auf die Folge #003 – Warum man kein Market Timing machen sollte. Man wird vor allem ein riesen Problem haben. Die Börsen haben die Tendenz zu drehen, bevor die Krise den tatsächlichen Höhepunkt erreicht, weil sie die Entwicklungen Antizipieren und die Zukunft bewerten. Die Börsen sind den aktuellen Entwicklungen immer 1-2 Schritte voraus und der Wendepunkt wird am ehesten dann erreicht sein, wenn die Nachrichtenlage am absolut aussichtslosesten Punkt angekommen ist. Und dann muss man erst recht den Mut dazu haben, wieder einzusteigen. Dadurch läuft man Gefahr, einen großen Teil der Erholung zu verpassen, und Verluste zu realisieren oder zumindest die langfristig mögliche Rendite erheblich zu reduzieren.
Jetzt antizyklisch reagieren
Aus wissenschaftlicher Sicht ist es jetzt das beste passiv zu bleiben oder antizyklisch mit Käufen zu reagieren. Es kommt natürlich sehr auf den Einzelfall und v. a. auf die persönliche Risikotoleranz an. Wie lange habe ich noch Zeit? Habe ich bereits ein Portfolio? Und wie ist das strukturiert? Bringt es etwas die Portfoliostruktur zu ändern oder muss (und kann) ich neues Geld nachinvestieren? Das sind die Fragen, die man im Einzelfall klären muss. Und die zu unterschiedlichen Handlungsempfehlungen führen. Ich kann nur davon sprechen, wie ich es mit meinen Beratungskunden handhabe. Zentrum der Beratung ist die persönliche Risikotoleranz des Einzelnen, damit man auch solche Phasen durchstehen kann und nicht die Nerven verliert. Und das ist sehr unterschiedlich im Einzelfall. Kaum einer meiner Beratungskunden hat 100% Aktien im Depot, sondern auch solide Anleihen zur Stabilisierung. Damit kann man jetzt auch gut reagieren und profitieren. Ich lege es euch auch nochmal ans Herz. Seid euch im Klaren darüber, mit welchen Risiken ihr euch wohlfühlen könnt und mit welchen nicht. Dazu gibt es auch die Podcast-Folge #006 – Welcher Anlegertyp bist du? Und auf meiner Homepage könnt ihr euch auch den Risikotest anfordern, den ich mit meinen Kunden mache.
Wie geht man jetzt also konkret vor?
Im Vorfeld muss man festlegen, welcher Betrag euch jetzt für eine langfristige Investition zur Verfügung steht. Und zwar nicht nur für 2 oder 3 Jahre, sondern 5, 10 oder mehr Jahre. Außerdem muss jeder festlegen, was sein maximales Risikobudget ist, bzw. was ist die maximale Aktienquote im Verhältnis zum Gesamtvermögen, oder innerhalb des Depots, die man bereit ist anzulegen. Wo erreicht ihr also eure Ultima Ratio? Wo ein weiteres Reinvestieren nicht mehr in Frage kommt.
Dann müsst ihr ein Worst-Case-Szenario für den Aktienmarkt definieren, wo ihr All-in gehen würdet. Das kann z. b. sein, wenn 50% Verlust bei breiten Marktindeces erreicht werden, wie in der Vergangenheit bereits gesehen. Aber das muss jeder für sich festlegen.
Und dann erhöht man einfach in 3 oder 4 Stufen die Aktienquote, bis zum definierten Worst-Case-Szenario. Also z. B. immer wenn der Markt 10% oder 15% vom Allzeithoch verliert, legt ihr eine Stufe nach. Eine Stufe kann sein, dass ihr die Aktienquote im Depot erhöht, von 60% auf 70% und bei der nächsten Stufe dann z. b. auf 80%. Oder, wenn ihr neues Geld investiert, teilt es in vier gleiche Beträge auf und bei jeder Stufe, die erreicht wird, investiert ihr einen Teil.
Ihr könnt das natürlich auch mit festen Zeitvorgaben kombinieren. Z. b. in 12 gleichen, monatlichen Raten einsteigen oder in 4 Raten zu jedem Quartalsbeginn. Das habe ich mit neuen Kunden in den letzten Monaten schon so gemacht, dass wir nicht den kompletten Anlagebetrag sofort investiert haben, sondern zu jedem Quartalsbeginn 1 / 4 eingeplant oder den Einstieg auf 12 monatliche Raten verteilt haben. Und dann natürlich mit der Option, wenn die Preise fallen sollten (was sie getan haben), dann Zug um Zug, die geplanten Raten vorziehen. Aber so, dass man auch im Worst-Case noch was zum Investieren hat. Und so legt ihr euch selbst eine Systematik zurecht, die zu eurer Situation passt. Wichtig ist nur, dass ihr feste Regeln habt und nicht irgendwann zum Zaubern anfangen müsst.
Für Neuanleger, die bisher noch nicht investiert sind, gilt das gleiche Vorgehen. Ihr seid in einer sehr komfortablen Situation. Ihr könnt ganz entspannt zuschauen, wie es die Märkte zerlegt. Aber auch für euch gilt es einen systematischen Einstieg zu finden und keiner will natürlich zu früh einsteigen. Aber die Gefahr liegt auch ganz klar darin, womöglich viel zu lange zu warten. Also auch hier gilt es daher einen regelbasiert Prozess festlegen.
Risikostreuung
Abschließend noch ein paar Worte zur Risikostreuung. Aus wissenschaftlicher Sicht ist es sinnvoll ein marktbreites Portfolio zu haben, mit 4.000 – 5.000 verschiedenen Titeln, weltweit gestreut, keine Biases, keine Übergewichte, keine Klumpenrisiken. Von Einzelaktien sollte man aus wissenschaftlicher Sicht eher absehen, denn es gibt keine systematische Zusatzrendite für das Risiko von Einzelaktien. Man hat ein deutlich höheres Risiko, erhält aber nur mit Glück auch eine höhere Rendite daraus. Hört euch dazu auch gerne nochmal die Folge #002 – keine Einzelaktien – an.
In der aktuellen Krise ist es leider sehr wahrscheinlich, dass es zu Insolvenzen kommen wird. Aber fakt ist, mit einer sehr breiten Streuung auf mehrere 1.000 Titel weltweit kann man das Risiko von Insolvenzen quasi ausschließen. Für mich ist es natürlich die oberste Priorität, dass kein Anleger den ich berate dauerhaft Geld verliert und daher kommen Einzelwerte für mich grundsätzlich nicht infrage. Wer zocken will, dem sei das natürlich freigstellt.
Zusammenfassung
Ich fasse es nochmal zusammen was man jetzt tun sollte:
- Ruhe bewahren
- Kein Markt-Timing betreiben
- Einen systematischen Plan für Reinvestitionen erstellen
- Und zwar bis zum definiert Worst-Case-Szenario,
- Eine breite Streuung gewährleisten
- Und sich mit vergangenen Krisen nochmal auseinander setzen
Dazu habe ich auf meiner Homepage das PDF mit den „historischen Marktdaten“ um diese Zahlen erweitert. Und nochmal. Man muss sich klar bewusst sein, dass sich diese Krise noch erheblich ausweiten kann, es kann noch richtig hässlich werden. Es kann aber auch sein, dass sich die Horrorszenarien nicht bewahrheiten. Who knows?
ich wünsche euch viel Erfolg und gute Nerven für diese schwierigen Zeiten und natürlich das wichtigste, bleibt gesund und passt auf euch und die Älteren auf!
Bis zum nächsten mal
Euer Benedikt