#025 Technologieblase 2.0 ?

#025 Technologieblase 2.0 ?

In dieser Folge geht es um Technologieaktien. Aktien aus dem Technologiebereich sind seit Jahren die absoluten Stars an der Börse und sind wahnsinnig gut gelaufen und nehmen mittlerweile in weltweiten Indeces mit Abstand die größten Positionen ein. Unbestritten ist auch, dass dieser Sektor die nötigen Technologien für die Zukunft entwickelt, aber sind sie deswegen zwangsläufig auch die besten Aktien? Oder droht uns vielleicht eine zweite Technologieblase, wie im Jahr 2000 zu Zeiten der Dot.Com Krise? Es gibt aktuell einige Entwicklungen, die tatsächlich an die erste Techbubble von 99 erinnern. Und einige Anleger fragen mich, ob das noch normal ist, was hier teilweise passiert z. B. das mit Gamestop oder Tesla und die Bewegung auf Robin Hood, oder die SPAC-Börsengänge und der Boom bei den Kryptowährungen, es gibt hier eine lange Liste. Diese ganzen Anomalien und Kapriolen spielen sich eigentlich alle im Techbereich ab und viele junge Anleger sind dort besonders stark positioniert. Deswegen möchte ich das heute mal ausführlicher behandeln. Dazu habe ich einige Aspekte für euch analysiert, die helfen könnten festzustellen, ob wir uns nun schon in einer Blase befinden oder nicht.

 

  1. Die Anteile an Tech-Aktien sind enorm gestiegen

Und das auf Branchen- als auch auf Einzelaktienebene. Ein Indikator, der eine hohe Konzentration und damit auch mögliche Blasen anzeigt ist der Anteil der Top 5 Werte am S&P500 Index. Der S&P500 ist der amerikanische Leitindex mit den 500 größten Unternehmen, nach Marktkapitalisierung aufgebaut und da, wo das meiste Geld investiert ist und Firmenwerte am höchsten gehandelt werden ist auch die Gewichtung im Index am höchsten. Die Konzentration ist aktuell so hoch wie nie. Normal ist der Anteil der Top 5 Unternehmen um die 14% +/-2%. Aktuell beträgt er aber 22%[1]. Also 1% der Unternehmen im Index (5/500) machen aktuell 22% dessen Wertes aus. Eine so hohe Konzentration ist nur vergleichbarer mit der der Öl Werte der 80er Jahre. Und mit den Technologiewerten 2000, wo der Anteil damals 18% betrug. Damals wie heute sind diese Anteile in kürzester Zeit senkrecht nach oben gegangen

bisher hat sich so ein Überschießen ebenso schnell auch wieder korrigiert. Mal schauen, wie es dieses Mal wird, man weiß es ja vorher nie so genau.

Grafik 1: Anteil der Top 5 Unternehmen des S&P 500 Index gemessen an der Marktkapitalisierung von 1980-2021:


Erläuterung: Die Grafik bildet den Anteil in % der größten 5 Unternehmen im S&P500 Index gemäß Ihrer
Marktkapital ab. Im Jahr 2000 (18%) waren diese Unternehmen Microsoft, GE, Cisco, Intel und Walmart.
Heute sind es Microsoft, Apple, Amazon, Alphabet und Facebook.[1]

Ein weiterer Indikator ist der Anteil der Tech-Branche am S&P. Dazu gibt es ein mega gutes Video von James Eagle[2]. Es zeigt die Entwicklung der Branchenanteile im S&P von 1980 bis heute in einem Kuchendiagramm. Immer wieder gab es extreme Konzentration bei einzelnen Branchen, wie bei Energiewerten 1980 mit 29% – 6 Jahre später lagen sie nur noch bei 10%. 2000 während der Dot.com Bubble lag der Anteil von Technologie bei 40% – 2 Jahre später nur noch 17%. Oder 2007 kurz vor der Finanzkrise hatte der Banksektor 22% eingenommen – 1,5 Jahr später lag er unter 10%.  Die Kurse haben sie also immer in relativ kurzer halbiert oder sogar noch mehr und jetzt hat sich der Tech-Anteil innerhalb weniger Jahre wieder von 20 auf 40% erhöht. Bisher hat sich sowas jedes Mal wieder relativiert durch entsprechende Kursverluste in den aufgeblähten Branchen.

Grafik 2: Entwicklung der Branchenanteile im S&P 500 Index von 1980-2021:

 

Aber ist dieses Mal mit der Dot.com Blase vergleichbar? Man muss sagen, dass die damalige Techbubble von 99 schon ziemlich einzigartig war. Viele erinnern sich bestimmt noch an den neuen Markt, die deutsche Technologiebörse war das damals. Den Neuen Markt gibt es heute nicht mehr, weil nach dem Platzen der Blase so gut wie nichts mehr davon übrig war. Die meisten Aktien davon haben 90-100% von ihrem Wert verloren und man sieht sie heute noch in alten Depots herumgeistern. Auch den Nasdaq, die US Tech Börse, hat es damals ziemlich böse erwischt. Er hat sich innerhalb von fünf Jahren mehr als vervierfacht (x4). Aktuell sind wir übrigens bei einer vereineinhalbfachung (x1.5), also deutlich niedriger. Danach hat es unglaubliche 17 Jahre gedauert, bis dieser damals astronomische Stand wieder erreicht werden konnte, das war 2017. Auch wenn die Konzentration durchaus mit damals vergleichbar ist, gibt es aber einige Gründe, die gegen eine zumindest derartig große Blase sprechen.

 

  1. Die Bewertungskennzahlen

Der Punktestand eines Index allein sagt im Prinzip noch nicht viel aus. Es ist normal, dass Indices permanent neue Höchststände erreichen, weil die Firmen jedes Jahr Geld verdienen und ein Wert geschaffen wird. Entscheidend ist, wie viel Cashflow oder Gewinn ich dafür bekomme. Das macht man am einfachsten mit dem KGV, dem Kurs/Gewinn-Verhältnis. Über das wir schon oft im Podcast gesprochen haben, aber trotzdem zur Erklärung gerne für die neuen Zuhörer. Es ist eine Verhältniszahl aus Kurs und Gewinn je Aktie. Es drückt sozusagen aus, nach wie vielen Jahren sich die Aktie von selbst abzahlt, bzw. amortisiert. Je niedriger die Zahl umso besser. Wenn wir das KGV des Nasdaq aus 2000 mit heute vergleichen, sehen wir dann eine Tech Bubble 2.0 oder nicht? Antwort ist ein relativ klares nein. Dieses Mal ist die Bewertungslage bei weitem nicht so dramatisch. Damals KGV im Nasdaq Composite über 150[3].

Grafik 3: Entwicklung des Kurs-Gewinn-Verhältnisses im Nasdaq Composite Indexvon 1995-2015:

 

Heute liegt es um die 35 (je nach Gewinnprognose und Methode). Heute haben wir deutlich bessere Fundamentaldaten als damals. Das liegt mitunter auch daran, dass das KGV eine Verhältniszahl ist aus dem Kurs und dem Gewinn PRO Aktie. Schauen wir uns daher die Unternehmensgewinne genauer an und warum der Ausdruck pro Aktie in dem Kontext so wichtig ist.

 

  1. Die Gewinnentwicklung

Die Gewinne bei den Big-Tech Unternehmen sind in den letzten Jahren massiv angestiegen, was mit Sicherheit auch der Hauptgrund für diese enorme börsliche Entwicklung ist. Es gibt zwei erhebliche Gründe, warum das KGV trotz des Kursanstiegs noch verhältnismäßig niedrig ist. Die Gewinne der Techunternehmen sind durch zwei Sondereffekte besonders stark gestiegen. Zum einen der Corona Effekt. Seit Corona wird nahezu alles online bestellt. Alleine Amamzon hat seinen Gewinn in Q4 2020 zum Vorjahresquartal 2019 um 120% gesteigert![4] Die Frage ist, wieviel davon bleibt auch nach Corona bestehen? Und wieviel wird wieder in stationären Einzelhandel zurück gehen, wenn Corona mal Geschichte ist? Oder zumindest: können die Gewinne nach Corona weiterhin so stark wachsen? Zweiter entscheidender Punkt für die hohen Gewinne sind Aktienrückkaufprogramme. US Techfirmen sitzen oder saßen auf unglaublichen Liquiditätsreserven. Deswegen kaufen die S&P Unternehmen jährlich für ungefähr 500 Mrd. USD eigene Aktien zurück[5]. Alleine die Tatsache, dass sie damit nichts besseres vorhaben ist für viele ein Warnsignal. Apple hat das größte Rückkaufprogramm und damit bisher 1/3 ihrer Aktien zurückgekauft![6] Wenn ich 100 USD an Gewinn nur noch auf zwei statt auf drei Aktionäre verteilen muss, dann steigert das natürlich den Gewinn pro Aktien extrem. Und dadurch geht auch das KGV um 1/3 runter. Ohne den Corona Effekt und ohne Aktienrückkäufe wäre das KGV beim aktuellen Kursniveau also deutlich höher. Und beides sind endliche Faktoren.

  1. Das bereits eingepreiste Gewinnwachstum

Die große Frage ist ja nicht, ob die Gewinne der Techunternehmen zukünftig weiter steigen, sondern wieviel die Marktteilnehmer heute schon als sicher voraussetzen. Und vor allem wieviel sie dafür mehr zu zahlen bereit sind, als für andere Aktien. Eine Methode, die sich hier hervorragend eignet, ist die Ermittlung der Gewinnrendite. Die Gewinnrendite ist der Umkehrwert vom KGV. Also 1/KGV und ich erhalte die Rendite durch die laufenden Gewinne je Aktie. Dazu müssen wir zunächst die KGVs ermitteln.

 

Für den Nasdaq 100 ergibt sich per Ende März (mit Tesla) ein KGV von 46, ohne Tesla wären es nur 37 gewesen, Tesla ist Hauptbestandteil der Nasdaq. Der Dow Jones mit US-Standardwerten liegt bei 20,7 (44% günstiger als der Nasdaq). Im MSCI World Value (Gegenteil von Growth/Technologie) beträgt das KGV sogar nur 13 (65% günstiger als der Nasdaq). Im Umkehrschluss bedeutet das folgendes. Wenn ich 1.000 Dollar oder Euro investiere, bekomme ich folgende Unternehmensgewinne pro Jahr:

Nasdaq 22 USD

Dow Jones 48 USD

World Value 77 USD

 

Damit ich also mit dem Nasdaq den gleichen Betrag an Unternehmensgewinnen bekomme, wie im Value Index müssten die Unternehmen an der Nasdaq ihre Gewinne nochmals ver-3,5-fachen, also ihre Gewinne nochmals 350% steigern. Tatsächlich lag die Gewinnsteigerung pro Aktie bei den Top 10 im Nasdaq bei 35%, über die letzten fünf Jahre. Was gigantisch ist, keine Frage! Aber es dauert trotzdem 11 Jahre, bis sie damit die günstigen Aktien eingeholt haben. Und das zeigt, dass die vom Markt vorausgesetzten Gewinnsteigerungen schon ziemlich ambitioniert sind. Es gibt einen Spruch an der Börse, der da lautet: „gute Firmen haben schlechte Aktien und schlechte Firmen haben gute Aktien“. Worin besteht da die Logik?, mag man sich jetzt vielleicht fragen. Man muss wissen: der heutige Kurs einer Aktie entspricht der Summe seiner zukünftigen Gewinne. Je sicherer diese Gewinne erscheinen umso teurer muss ich sie einkaufen. Je unsicherer der Eintritt der Gewinne, umso günstige bekomme ich sie. Und wenn sicher geglaubte und teuer einkaufte zukünftige Gewinne dann doch nicht in der Höhe Eintreten wie geplant, dann kann es sehr grausam werden. Und genau darin liegt das Risiko der vermeintlich guten Aktien und das Potenzial der vermeintlich schlechten.

 

  1. Historischer Vergleich zwischen Value und Growth Aktien

Der gesamte Aktienmarkt lässt sich unter anderem in die 2 Gruppen/Dimensionen unterteilen. Es gibt Growth und Value – und alles in der Mitte ist Blend, also neutral. Growth sind Werte mit besonders hohem Wachstum und aktuell sind das hauptsächlich Technologieaktien und das Gegenteil von Growth ist Value. Bei den Value-Aktien ist das Wachstum eigentlich egal, sondern es geht darum möglichst günstig einzukaufen und sich stark am Substanzorient zu orientieren. Aus den Forschungen von den Nobelpreisträgern Kenneth French und Eugene Fama wissen wir, dass Value-Aktien langfristig eine gewisse Zusatzrendite, eine sog. Faktorprämie erwirtschaften. Kenneth French stellt die historischen Daten zu in seinem Data Library[7] zur Verfügung und das Ergebnis schaut so aus. Von 1971 bis 2021, wurden aus 100 Investierten USD 16.800 mit Growth-Aktien und ganze 49.000 aus Value-Aktien, also fast 3x mehr. In annualisierten Renditen ausgedrückt lag Growth bei 10,8% und Value bei 13,2%. Gewinne in der Vergangenheit sind zwar bekanntlich keine Garantie für die Zukunft, das Bestehen der Value-Prämie ist dennoch wissenschaftlich sehr gut nachgewiesen. Zum fast gleichen Ergebnis kommt man auch, wenn man den Aktienmarkt nicht in Value und Growth unterteilt, sondern in billige und teure Aktien. Diese erzielten fast identische Renditen, wie Value vs. Growth. Da die Aktien mit den höchsten Wachstumsraten auch meistens zu den teuersten Aktien zählen, liegt hier auch die Begründung, warum sie langfristig oft schlechter abschneiden. Kurzfristig also auf ein, zwei oder drei Jahre muss das aber überhaupt nichts heißen – da kann die Party durchaus weitergehen, aber der langfristig orientierte Investor tendiert üblicherweise eher Richtung Value, aufgrund der Erkenntnisse aus dem Dreifaktorenmodell von Fama/French.

 

Wir sind am Ende der Folge und ich fasse die Erkenntnisse nochmal zusammen:

  1. Tech-Werte sind schon sehr stark gestiegen, besonders in der jüngsten Vergangenheit und in einigen Teilsegmenten gibt es spekulative Bewegungen
  2. Ein Vergleich zur Technologieblase von 1999 hält aber nicht Stand, damals hat sich der Markt in kürzester Zeit vervierfacht und die KGVs lagen über 100
  3. Trotzdem sind die Bewertungen auch heute schon sportlich und es ist schon viel vom zukünftigen Wachstum in den Kursen eingepreist
  4. Das könnte sich negativ auf die Renditen von Techaktien in den nächsten Jahren auswirken
  5. Insbesondere ggü. Den sehr günstig bewerteten Value Aktien
  6. Mittelfristig gesehen kann die Party bei Tech natürlich durchaus noch weitergehen, aber man sollte sehr wachsam sein

 

Abschließend möchte ich noch sagen, dass ich absolut nicht zum Markttiming oder zu Prognosen animieren möchte. Natürlich gehören Technologieaktien ganz klar in jedes Portfolio, aber in einem vernünftigen Maße und das sollte man von Zeit zu Zeit einfach mit Hausverstand mal kritisch hinterfragen. Und besonders sollte man einfach nicht einseitig investiert sein, sondern breit gestreut. Denn dann brauche ich mir über die Risiken einzelner Branchen auch überhaupt keine Gedanken machen. Mehr dazu, wie sowas ausschauen kann, erfahrt ihr in meinem Webinar, auf www.benediktbrandl.com/webinare.

Ich hoffe ich konnte euch mit dieser Folge ein paar nützliche Ideen mit an die Hand geben und ihr seid auch beim nächsten Mal wieder dabei.

Viele Grüße

Euer Benedikt

 

Quellenangaben:

[1] https://markets.businessinsider.com/news/stocks/sp500-concentration-large-cap-bad-sign-future-returns-effect-market-2020-4-1029133505

[2] https://www.youtube.com/watch?v=iAWdOb1L0rs

[3] https://www.businessinsider.com/nasdaq-pe-2000-and-today-2014-8?r=DE&IR=T

[4] https://s2.q4cdn.com/299287126/files/doc_financials/2020/q4/Amazon-Q4-2020-Earnings-Release.pdf

[5] https://finance.yahoo.com/news/tech-stock-buybacks-point-continued-115120660.html?guccounter=1&guce_referrer=aHR0cHM6Ly93d3cuZ29vZ2xlLmRlLw&guce_referrer_sig=AQAAAC7RzYhLbJ3fKVIU5P1w_a0WjVgXLy0rykYsTWwz8TBQIPpdT_JRLmsDIb27vqcYR_4DWvcmwNoufYNrZ4jRQBvsMOyRNb5KHQlw1wU9chhmWNtaNIWWt_Sh9bjlCiq-ztbghCQGbhYoYefPomOjYVgN-wU-I74Xbdl6A7671jPu

[6] https://www.forbes.com/sites/chuckjones/2021/02/28/apple-will-have-to-buyback-250-billion-in-stock-to-become-cash-neutral/?sh=bd3e8cc7d7d5

[7] https://mba.tuck.dartmouth.edu/pages/faculty/ken.french/data_library.html

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